RUDY - Routenflexibles Störungsmanagement

Im Projekt RUDY (Regionale Unternehmensübergreifende Dynamisierung von Fahrplaninformation, Buchung und Betrieb im ÖPNV) arbeiteten von 2001 bis 2005 Aufgabenträger, ÖPNV-Betriebe, Technologieanbieter und Forschungseinrichtungen zusammen, um rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme im ÖPNV und die damit verbundenen intermodalen Fahrplaninformationssysteme weiterzuentwickeln. Das Projekt wurde vom Bund im Rahmen des Förderschwerpunkts "Personennahverkehr in der Region" gefördert (FKZ 19P1085L), dabei stand im Vordergrund, sowohl die Funktionen einzelner Systeme zu verbessern als die Vernetzung verschiedener Systeme und die Schaffung unternehmensübergreifender Funktionalitäten und Angeboten zu ermöglichen - sowohl in Städten als auch in ländlichen Regionen. Im Rahmen von RUDY arbeitete die VWI Stuttgart GmbH eng mit dem Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart bei folgenden Aufgaben zusammen:

  • Analyse der manuellen Disposition bei realen Störfallszenarien und Großereignissen am Beispiel der SWU-Verkehr
  • Spezifikation eines Datenmodells und der Abläufe im routenflexiblen Störungsmanagement zum Austausch georeferenzierter Linienverläufe
  • Realisierung einer GeoRBL (RBL mit integrierten Geodaten) inklusive aller Schnittstellen und der neuen Funktion eines routenflexiblen Störungsmanagements
  • Entwicklung von Störungsszenarien für den Test und die Demonstration des routenflexiblen Störungsmanagements
  • Evaluierung des routenflexiblen Störungsmanagements
  • Spezifikation und Realisierung der Systemerweiterungen der GeoRBL zur Ermöglichung eines flexiblen Richtungsbandbetriebs und Betreuung der GeoRBL während einer neunmonatigen Pilotphase




Für "klassische" RBL-Systeme stellen Umleitungsfahrten (bzw. generell alle Fahrten, die vom vorgegebenen Linienweg abweichen) eine Herausforderung dar, da diese nicht oder nur in Ausnahmefällen definiert und im System hinterlegt sind. Aus Kostengründen sind nur wenige, sehr häufig gebrauchte Umwegfahrten als eigene Linienabschnitte definiert, vermessen und mit Baken (oder sonstigen ortsfesten Einrichtungen) versehen. Nur auf diesen "Umweglinien" können die Fahrzeuge geortet und in der Leitstelle angezeigt werden. Verlässt ein Fahrzeug diese vordefinierten Routen, fällt es aus der Ortung und ist für den Disponenten auf seinem realen Weg nicht mehr sichtbar. Für das Störungsmanagement ist es daher wichtig, einen Weg zu finden, der es ermöglicht, in der Disposition ad hoc definierte Umleitungsfahrten nicht nur an das entsprechende Fahrzeug weiterzugeben, sondern anschließend auch die Einhaltung dieses Weges wieder in der RBL überwachen zu können. Um die Disponenten in einer Leitstelle bei einer Störung besser unterstützen zu können, wurden in die GeoRBL neue innovative Dienste integriert.

Bei einer Störung ermittelt die GeoRBL selbstständig alle im Betrieb befindlichen Fahrzeuge, die von der Störung betroffenen sind und sortiert diese nach Priorität (kürzester zeitlicher Abstand zur Störstelle). In dieser ermittelten Reihenfolge werden die Fahrzeuge über eine Geo-Oberfläche sequentiell an den Disponenten zur Bearbeitung weitergegeben. Auch einsetzende Fahrzeuge, die auf die Störung zufahren, werden dabei berücksichtigt.

Den Disponenten steht eine kartenbasierte Geo-Oberfläche als Arbeitsgrundlage zur Verfügung. Auf dieser werden Linienverläufe angezeigt, können die Positionen aller Fahrzeuge verfolgt und weitere Informationen (Kursverläufe, Verspätungen) eingeblendet werden. Im Störungsmanagement dient die Geo-Oberfläche auch als Dispositionssystem, mit dem der Disponent schnell neue Umleitungsrouten für betroffene Fahrzeuge durch einfaches "Klicken" auf der Karte erstellt. Die Geo-Oberfläche wurde gemeinsam mit dem Institut für Anwendungen der Geodäsie im Bauwesen der Universität Stuttgart (IAGB) entwickelt.

Die GeoRBL ist als lernendes System konzipiert. Alle behandelten Störungen werden mit Bezug auf den Ort des Auftretens einschließlich der erfolgten dispositiven Maßnahmen gespeichert. Der dadurch wachsende Erfahrungsschatz wird zur Unterstützung des Disponenten eingesetzt. Bei einer neuen Störung wird geprüft, ob im selben Streckenabschnitt bereits früher eine Störung vorlag. Ist dies der Fall, werden die seinerzeit gespeicherten Umleitungsrouten gesucht, aufbereitet und dem Disponenten als Vorschläge vorgelegt, so dass der Disponent nur noch auswählen und bestätigen muss. Selbstverständlich können auch neue Vorschläge erarbeitet werden.

Die bevorstehende Kursänderung wird automatisch an die Fahrzeug-Bordrechner übermittelt und den Fahrern auf einer Art Navigationssystem angezeigt. Der Fahrer bestätigt die Ankündigung und erhält dann die Angaben zur veränderten Fahrt. Damit entfällt für die Disponenten die zeitraubende Fahrer-Information über Sprechfunk.

Die Akzeptanz der Maßnahmen des Störfallmanagements ist in hohem Maße von der Information der Fahrgäste in den Fahrzeugen und an den Haltestellen abhängig. Da die GeoRBL beim Störungsmanagement sehr genau über die getroffenen Maßnahmen informiert ist, ist sie in der Lage, fast alle Informationen und Meldungen für die Fahrgäste (Informationen über Verspätungen, Umleitungen, Störungen, Umsteigemöglichkeiten oder Anschlusssicherung) selbst zu generieren und diese an die Anzeigemedien zu senden. Eine manuelle Eingabe durch den Disponenten ist dabei nicht erforderlich.

 

Die Ergebnisse des Projekts und insbesondere die GeoRBL stießen in der Fachwelt auf sehr positive Resonanz. So verlieh die Arbeitsgruppe ITCS des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für die Entwicklung des routenflexiblen Störungsmanagements den ITCS - Award 2005 an Harry Dobeschinsky und Stefan Tritschler. Etliche der in RUDY entwickelten Techniken sind inzwischen in die am Markt erhältlichen RBL- bzw. ITCS-Produkte eingeflossen, so dass die Verkehrsunternehmen und Kunden davon profitieren können.


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